Pflichtverteidiger-Roulette

Ein Verteidiger, auch und gerade ein Pflichtverteidiger, hat unter anderem eine ganz wichtige Aufgabe: Er ist der Garant für ein faires und rechtsstaatliches Strafverfahren.

Ein Verteidiger muß also kontrollieren, was Staatsanwälte und Richter machen und ob sie sich an die Spielregeln halten. Besonders darauf, daß der Richter das Strafprozeßrecht einhält.

Nun obliegt es dem Richter, einem unverteidigten Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Wenn der Beschuldigte keinen Verteidiger benennt, sucht der Richter ihm einen aus.

Und an dieser Stelle wird es kritisch. Derjenige, der kontrolliert werden soll, sucht sich den Kontrolleur aus.

Das kann nicht gut sein.

schreibt Heinrich Schmitz, ein Strafverteidiger aus Euskirchen, am 31.10.2015 in einem Beitrag für die Kolumnisten.

Der Kollege fordert – zu Recht, wie ich meine:

die Beiordnungspraxis endlich einmal radikal zu überprüfen und vor allem aus der Hand der Richter zu nehmen.

Es ist ein in das Prozeßrecht eingebauter Systemfehlers – die Kontrolle des Richters durch den Verteidiger läuft dabei ins Leere.

Unter den gesetzlichen Gegebenheiten gibt es nur eine sinnvolle Möglichkeit, eine effektive Kontrolle zu gewährleisten: Der Beschuldigte (oder seine Angehörigen bzw. Freunde) informieren sich grundlegend und suchen sich dann selbst einen unabhängigen und engagierten Verteidiger.

Für ein Roulettespiel ist ein Strafverfahren eine viel zu ernste Angelegenheit.

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Haftstrafe für eine Ohrfeige beim Brausen

296039_web_R_by_Tina Gössl_pixelio.deEs gab ein wohl kleines Missverständnis unter der Gemeinschaftsdusche in der JVA Moabit. Das führte zu einer Ohrfeige. Fast ganz ohne körperliche Folgen. Einfach klatsch und gut.

Trotzdem:
Die Staatsanwältin (die Medienberichten zufolge angeblich nicht mit unter der Dusche gestanden haben soll) warf dem Häftling eine Straftat vor: Vorsätzliche Körperverletzung. Eine „Gewalttat“ (Hört! Hört!) die bestraft werden muß. Unbedingt.

Die Richterin (ebenfalls insoweit ungeduscht) stimmte der Gewalttatverfolgerin zu. Und verurteilte den Geduschten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. In Worten: 6 Monate für eine Backpfeife. Ohne Bewährung!

Ich bin mir ziemlich sicher, daß diese Rechtsfolge einer Auseinandersetzung zwischen zwei Knackis einer Überprüfung durch das Landgericht nicht standhalten dürfte. Szenetypische Umgangsformen gehören einfach nicht in dieser Art sanktioniert.

Dennoch:
Den Verurteilten wird diese Haftstrafe nicht weiter jucken. Er sitzt ohnehin in Untersuchungshaft, wahrscheinlich auch noch in den nächsten sechs Monaten. Nach 88 Hauptverhandlungsterminen ist in dem Wettbüro-Mord-Prozess vor dem Landgericht Berlin nämlich noch kein Ende abzusehen.

Das bedeutet:
Die Untersuchungshaft wird „unterbrochen“ für die Dauer der sechsmonatigen Freiheitsstrafe. Da ändert sich zunächst nicht viel. Der Gefangene muß nur damit rechnen, am Ende dann insgesamt sechs Monate später entlassen zu werden. Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe, die in dem Mordverfahren zur Rede steht, fallen die 6 Monate aber auch nicht sonderlich ins Gewicht.

Und doch:
Das Urteil erscheint mir völlig überzogen. Das meint auch – wenn auch unausgesprochen – das Rockerportal.

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Bild: © Tina Gössl / pixelio.de

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Gefängnisausbruch mit Aufseherin

Auch die Knäste in der Schweiz sind blühende Oasen. Das geht aus einem Bericht von Brigitte Hürlimann in der Neuen Züricher Zeitung hervor.

Eine Gefängniswärterin brennt mit einem Gefangenen durch. Ob ein gelebtes Verhältnis zwischen Schließerin und Knacki zu den Vollzugszielen gehört, kommentiert der Chefausbildner für Strafvollzugspersonal, Thomas Noll, aber so:

Auch die Resozialisierung des Gefangenen, immerhin eines der Hauptziele im Vollzug, gelingt schlecht, wenn die Mitarbeiter einen zu distanzierten Kontakt zu den Insassen pflegen. Die Aufseher sind auch Betreuer, das darf man nicht vergessen. Sie schliessen ja nicht bloss die Türen auf und zu.

Nun, liebe Schließerinnen in Moabit. Dann legt Euch mal ins Zeug! Für die Resozialisierung Eurer Betreuten. 😎

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Sportlicher Ausbruch aus der JVA Moabit

Es kommt vor, wenn auch äußerst selten: Ein geglückter Ausbruch von zwei Häftlingen aus der JVA-Moabit. Das war am 19. Mai 2014.

Am vergangenen Montag erinnerte mich Google (warum auch immer) noch einmal an diesen Event und verlinkte seinen Google Alerts mit diesem Video. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) äußert sich zur sportlichen Höchstleistung der beiden Häftlinge.

Kurz nach der Flucht berichtete der Tagesspiegel darüber. Beide Geflohenen sind aber später wieder eingesammelt und in die Untersuchungshaftanstalt zurück gebracht worden, darüber berichete die Berliner Zeitung.

Die nachfolgenden Sicherungsmaßnahmen innerhalb der Anstalt und die Streichung sämtlicher individueller Lockerungen danach dürften die beiden Häftlinge nicht erfreut haben.

Wer sich weiter informieren möchte: Hier sind weitere Links zu der Aktion.

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Tätertrennung und die Gegenmittel

213942_web_R_K_by_Peter Reinäcker_pixelio.deDas kennt man aus dem Fernsehen: Die Beschuldigten werden getrennt voneinander befragt. Sie sollen sich nicht untereinander absprechen können. Also schließt die Polizei die Festgenommenen auf den Wachen erst einmal in getrennte Zellen. Dann werden sie nacheinander zum Verhör geholt. Das Ganze zieht sich dann über den Tag hin in die Länge, bis die Verdächtigen dann dem Haftrichter vorgeführt werden.

Getrennte Unterbringung
Wird nun eine größere Gruppe von Beschuldigten festgenommen und anschließend in die Untersuchungshaft geschickt, stellt sich die Frage, wie man den Informationsaustausch zwischen den Gefangenen unterbindet. Dazu steht dem Haftrichter, der den Haftbefehl erläßt, ein unangenehmes Instrument zur Verfügung: Er macht ein Kreuzchen im Formular mit der Überschrift „Tätertrennung – Wilhelm Brause, Gottfried Gluffke und Bulli Bullmann sind getrennt unterzubringen!„. So sieht es § 119 Abs. 1 Ziff 4 u. 5 StPO vor.

Einschränkungen
Das führt zu massiven Einschränkungen während der Untersuchungshaft. Die Anstalt gibt sich alle Mühe, den Kontakt unter den genannten Mitgefangenen zu verhindern. Wie das im Einzelnen aussieht, welche Auswirkungen das hat und wie die Tätertrennung von den Gefangenen unterlaufen wird, beschreibt Achim in einem Beitrag auf Knast.Net:

Damit wir uns über den Termin nicht absprechen konnten, hatten wir einzel duschen und einzel Freistunde. Zur Freistunde warst du immer mit einen Schliesser alleine auf dem Hof, sowie beim duschen, Arztbesuch usw. an der Zellentür hing ein Schild von Hand zu Hand. Also immer in Begleitung.

Wahnsinnige Einzelhaft
Diese Einschränkungen bringen manche Gefangene sprichwörtlich an den Rand des Wahnsinns. In den 70er Jahren kam der Begriff „Isolationsfolter“ auf, der auch bei Psychiatern bestens bekannt wurde, die die Folgen von dieser Einzelhaft zu therapieren hatten.

Gegenmittel
Glücklicherweise ist das System der Tätertrennung in der Untersuchungshaftanstalt nicht perfekt. Auch darüber schreibt Achim in seinem Knast.Net-Beitrag:

Aber die Schliesser sowie die Staatsanwaltschaft hatten sich getäuscht. Nach einigen Wochen hatten wir uns mit den Kalfaktoren angefreundet, Tabak, Kaffee usw. abgegeben und fast täglich einen regen Postverkehr untereinander gehabt.

Achim stellt in seinem Erfahrungsberichte weitere Bordmittel dar, mit denen er und seine Mitgefangenen seinerzeit die Trennung unterliefen.

Rechtsmittel
Aber auch einem Strafverteidiger stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, auf die Haftsituation Einfluß zu nehmen (bis hin zur Verfassungsbeschwerde). Die Verfügung des Haftrichters ist nämlich nicht in Stein gemeißelt. Auch die Ausrichtung der Verteidigungsstrategie an der Haftsituation ist ein Mittel, das Leben im Knast erträglicher zu gestalten. Es kommt also auch hier darauf an, dem Gefangenen einen engagierten Anwalt zur Seite zu stellen.

Hand-zu-Hand im Strafprozeß
Wie sich die Probleme der Trennung dann im Rahmen eines Strafverfahrens entwickeln, wenn beispielsweise 14 Angeklagte voneinander „getrennt zu halten“ sind, kann man im Rocker-Blog einmal nachlesen.

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Bilder: © Peter Reinäcker / pixelio.de

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In bester Gesellschaft – Prominenz in der JVA Moabit

WachturmDie JVA Moabit war schon für so manchen Prominenten eine vorübergehende Unterkunft:

Hauptmann von Köpenick
Der Hauptmann von Köpenick, mit bürgerlichem Namen Friedrich Wilhelm Voigt, war dereinst Schuhmacher und dann auch ein Räuber. Er plünderte die Staatskasse und saß dafür von 1906 bis 1908 in Moabit.

Georgi Dimitrow
Der Bulgarische Kommunist Georgi Dimitroff hatte eine Schlüsselrolle im Prozess zum Brand des Reichtstagsgebäudes 1933 inne. Er war von 1933 bis 1937 in der Justizvollzugsanstalt Moabit inhaftiert.

Ernst Thälmann
Auch Ernst Thälmann, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Reichstagsabgeordneter, war ab März 1933 in der JVA Moabit; 1944 wurde er im KZ Buchenwald ermordet.

Herschel Grynszpan
Herschel Grynszpan erschoss 1938 den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. Dieses Attentat diente dem nationalsozialistischen Regime als Anlass für das Pogrom am 9. November 1938, die sogenannte „Reichskristallnacht„. Er war von 1940 bis 1941 in dem Gefängnis untergebracht.

Wolfgang Borchert
Der deutsche Schriftsteller Wolfgang Borchert: wurde nach der Vorführung einer Goebbels-Parodie denunziert und anschließend wegen „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt. Er saß in Moabit 1944 ein.

Fritz Teufel
APO-Aktivist und Ikone der Spaßguerilla Fritz Teufel, später freier Mitarbeiter bei der taz und als Fahrradkurier in Berlin, wurde vom 2. Juni 1967 verhaftet. An dem Tag war Schah Reza Pahlaci in Berlin und Teufel wurde beschuldigt, einen Stein geworfen zu haben. Er saß bis November 1967 in Moabit und wurde an 22. Dezember 1967 freigesprochen.

Andreas_Baader
Andreas Baader, späteres RAF-Mitglied, saß wegen Kaufhaus Brandstiftung am 2. April 1968 in der JVA Moabit und wurde am 14. Mai 1970 in Dahlem befreit. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde der RAF.

Erich Honecker
Erich Honecker, deutscher Kommunist, langjähriger SED-Chef, ist das erste und bislang einziges deutsches Staatsoberhaupt, das sich vor Gericht verantworten musste. Sein Prozeß fand im Kriminalgericht Moabit statt und er war ab dem 29. Juli 1992 unfreiwilliger Gast in der Untersuchungshaftanstalt und wurde 169 Tage später als totkranker Mann aus der Haft entlassen.

Wenn’s der Wahrheitsfindung dient!“ ist das geflügelte Wort, das der „Pudding-Attentäter“ Fritz Teufel dem Vorsitzenden Richter entgegen hielt, als er aufgefordert aufzustehen. Ob die Untersuchungshaft der Wahrheitsfindung dient, möchte ich nicht unterschreiben.

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Knast aus der Sicht eines Richters

Dr. Ulf Buermeyer ist eigentlich unter den „netzaffinen“ Juristen ein Begriff. Er ist im Hauptberuf erstmal Richter am Landgericht Berlin und derzeit Beisitzer der Großen Strafkammer 22, einer Schwurgerichtskammer, die über Delikte am Menschen, also Mord und Totschlag, verhandelt und urteilt.

Unter den Internet-Nutzern hat er sich nebenbei als Mitglied des Chaos Computer Club e.V. (CCC), Digitale Gesellschaft e.V. (Digiges) und Privacy International (PI), Mitglied des Advisory Board einen Namen gemacht, der dem klassischen Bild eines Richters eher nicht entspricht.

Was dieser extra-ordinäre Richter zum Thema Knast, also zu Fragen des Justizvollzuges in den Haftanstalten, zu sagen hat, kann man sich in einem Audiopodcast anhören.

Ich kann niemandem raten, sich mit seinem Gefängnis anzulegen.

Das ist der Titel dieses Podcast’s, in dem Nicolas Semak von „Viertausendhertz“ mit Ulf Buermeyer spricht.

Ulf ist Richter in Berlin und zwar ein ziemlicher ungewöhnlicher. Er engagiert sich im Chaos Computer Club, entwickelt Software und schreibt für netzpolitik.org. Nicolas fragt ihn, wie es ist, Menschen zu verurteilen und über Recht und Unrecht zu entscheiden. Ulf gibt außerdem Einsicht in das Leben von Gefängnisinsassen und in die allgemeinen Anforderungen an den Beruf des Richters.

Es gibt leider zu wenig Richter mit Knasterfahrung. Ich bin davon überzeugt, daß sehr viele Urteile, mit denen Menschen in die Justizvollzugsanstalten geschickt werden, anders ausfallen würden, wenn die Richter, die das Urteil sprechen, wüßten was das für den Menschen – und vor allem auch für dessen Angehörige – bedeutet. Dr. Buermeyer ist einer von diesen „erfahrenen“ Richtern, trotz seines relativ jungen (Dienst-)Alters.

Ich danke den beiden Gesprächspartner für diese spannende Stunde juristischer Unterhaltung, die man sich hier anhören kann.
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Dank an den Kommentator „egal“ für den Hinweis auf den Podcast.

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Gute Laune in der Haftanstalt

Ab und an bekommt man auch als Knacki gute Laune.

Das ist jetzt nicht gerade vergleichbar mit dem Umschluß in der Moabiter Untersuchungshaft, das Kartenspiel der drei Gefangenen ist aber auch schon was länger her. Der Mensch gewöhnt sich jedoch oft schnell an alles und macht das Beste aus der Situation. Ich finde, die drei Jungs machen es richtig. (Deswegen hat der Film auch ein Hapyy End.)

BTW:
Ein großartiger Film mit John Lurie, Tom Waits und Roberto Benigni – Down by Law

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Danke an HU für den Hinweis! crh

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Baumaßnahmen in der JVA

Der Gefängnisbau der JVA Moabit wurde 19811881 „in Betrieb“ genommen. Das war zu einer Zeit, in der zum Beispiel die Versorgung mit Elektrizität in den Zellen die Ausnahme war. Auch die damaligen sanitären Einrichtungen hatte einen anderen Standard als heute, wenngleich das Gefängnis zu seiner Zeit eines der modernsten war.

Heute sieht es im gesamten Gefängnisbau deutlich anders aus. Wer einen Eindruck bekommen möchte, wie die baulichen Veränderungen bewerkstelligt wurden, kann sich auf der Seite der Architektengemeinschaft Korthals umsehen.

Korthals berichtet über den Krankenhausumbau und den Umbau der Teilanstalt I. Dort gibt es auch interessante Einblicke in das Innere der Haftanstalt.

Sämtliche Arbeiten wurden im laufenden Betrieb der Haftanstalt durchgeführt. Erschwerend kam hinzu, daß in den oberen Etagen der Teilanstalt I normaler Häftlingsbetrieb und der Besucherbetrieb mit den Anwälten statt fand, der trotz umfangreicher Bauaktivitäten nicht beeinträchtigt werden durfte. Das waren die Schwierigkeiten für die Bauarbeiter und Planer.

In jener Zeit litten aber die Gefangenen, die Wachtmeister und die Verteidiger, die ihre Mandanten besuchten genauso unter den Umbauarbeiten. Teilweise waren Gespräche trotz aller Rücksichtnahme wegen des Baulärms in normaler Lautstärke nicht möglich.

TA1 - Durchgangsflur

Dafür sieht es jetzt in der Teilanstalt wieder piccopello aus.

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Bild: © Korthals

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Pflichtverteidiger-Typen

Welche Typen von Pflichtverteidiger gibt es eigentlich?

Die Koblenzer Rechtsanwältin Kerstin Rueber, Fachanwältin für Strafrecht, beschreibt in ihrem Blogbeitrag vom 14. Dezember 2015 unter dem Titel „Dank des Pflichtverteidigers“ folgende Erscheinungen:

  • Geständnis-Verteidiger
  • Verurteilungs-Begleiter
  • Gebühren-Kassierer
  • Bedankungs-Verteidiger
  • Engagierte Verteidiger

Wenn Sie sich einen aussuchen müßten: Wen würden Sie beauftragen?

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