Die Untersuchungshaftanstalt in Zürich steht schon seit langer Zeit unter massiver Kritik.
Das Haftregime in Untersuchungsgefängnissen ist extrem streng. Besucher bleiben stets durch eine Glasscheibe von den Insassen getrennt – das ist besonders für Häftlinge mit Partner und Kindern hart. Telefonate sind verboten. An Wochenenden, manchmal auch unter der Woche, sitzen die Insassen 23 Stunden in ihrer Zelle. Gegessen wird ebenfalls allein auf der Zelle. Isolation, Monotonie und die Unsicherheit über den Ausgang der laufenden Verfahren, in denen die Häftlinge stecken, sind für viele eine grosse psychische Belastung.
berichtete Hanna Stoll bereits am 3.9.2015 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).
Wie ist es bloss möglich, dass hierzulande Untersuchungshäftlinge schlechter behandelt werden als verurteilte Straftäter?
fragte in der vergangenen Woche die Journalistin Brigitte Hürlimann in ihrem Artikel für die NZZ.
Der Zweck der Untersuchungshaft
besteht in der Sicherung des Strafverfahren. Die Jusitz will verhindern, daß ein Verdächtiger flieht, Beweise beiseite schafft oder weiterhin Straftaten begeht. Die Gefahr einer Flucht, einer Verdunklung oder einer Wiederholung begegnet der Staat mit der Inhaftierung.
Aber:
Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
Haft trotz Unschuldsvermutung
Hier in Deutschland wie dort in der Schweiz wird der gesetzliche Schuldbeweis – ausschließlich – durch ein unabhängiges Gericht geführt. Wenn jemand also noch nicht rechtskräftig verurteilt wurde, spricht für ihn die Unschuldsvermutung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK); Art. 6 Abs. 2 EMRK gilt in Berlin und Bayern genauso wie im Tessin oder in Graubünden.
Geständniserpressung
Und dann gibt es in der Realität einen weiteren Haftgrund: Untersuchungshaft als Beugehaft, die möglichst unangenehm ausgestattet werden soll, um die Beschuldigten zu Geständnissen zu bewegen: „Das soll jetzt keine Aussageerpressung sein. Aber wenn Ihr Mandant aussagt und ein Geständnis ablegt, können wir über eine Haftverschonung nachdenken.“ So hat sich ein Potsdamer Staatsanwalt einmal mir gegenüber verhalten.
Haftbedingungen
Wenn man sich unter diesem menschenrechtlichen Maßstab einmal die Haftbedingungen in den Untersuchungsgefängnissen anschaut, kann man einfach nicht glauben, daß es zulässig sein soll, die Untersuchungshäftlinge 23 Stunden pro Tag in einer Zelle einzusperren, nur einmal pro Woche und nur eine oder eine halbe Stunde lang Besuch empfangen zu lassen, keine Sportmöglichkeit und keine sinnvolle Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Existenzvernichtung
In den überwiegenden Fällen, in denen die Untersuchungshaft angeordnet wird, geht damit der Verlust der Arbeitsstelle und die Einstellung von Gehaltszahlungen einher. Miete und sonstige laufende Zahlungsverpflichtungen können nicht mehr geleistet werden. Am Ende ist es meist völlig gleichgültig, ob der einst Verdächtige als Straftäter verurteilt oder als Unschuldiger freigeprochen wird: Er ist finanziell und dann auch oft psychisch am Ende, auf Dauer ruiniert.
Die Verteidigung in der Untersuchungshaft
ist eine der schwierigsten Aufgaben, die enorm hohe Anforderungen an einen Strafverteidiger stellt. Wer einmal einem Familienvater begegnet ist, der ein erfolgreiches Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitern geführt hat, und der hilflos mit ansehen mußte, wie seine Familie und seine gesamte wirtschaftliche Existenz den Bach runter ging, weiß, daß auch eine später durch das Gericht positiv festgestellte Unschuld ihn nicht mehr retten kann. Vor einem solchen Hintergrund veranlassen viele Staatsanwälte und viele Haftrichter viel zu viel die Untersuchungshaft.
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